9.Tag - ~ 165 km
Heute wollen wir die Thethi-Runde fahren und zwar ohne Gepäck. Aische ist durch ihre Höhenangst noch zu fertig und entscheidet sich einen Auszeittag zu nehmen. Trotz meines steifen, schmerzhaften Fingers möchte ich es versuchen, die Strecke habe ich noch als so toll in Erinnerung. Nane und Roger sind hin- und hergerissen, entschließen sich dann aber mitzufahren. Erst führt uns die neue, breite Strasse zurück nach Koplik und von dort noch weiter über Asphalt nach Boge. Zum Kräftesammeln halten wir hier noch kurz, trinken eine Cola und Nane sagt, dass ihr nicht so gut sei und ihr Bauchgefühl sagt, sie solle umkehren und wieder über die Strasse zurückfahren. Man soll niemand zu seinem Glück zwingen denke ich mir, wir vereinbaren, dass sie sich meldet sobald sie angekommen ist oder es ein Problemchen gibt. Keine 50 Meter hinter unserem Trennungspunkt, nach der ersten Kurve, endet der Asphalt. Das erste Stück führt uns über einen Pass und hat richtig dicke Steine parat. Auch enge Kehren. Alles ganz klasse für meinen geschwollenen, gebrochenen, kapsel- oder sonst wie verletzten kleinen Finger der mittlerweile ordentliche Einblutungen zeigt. Ich kann die Kupplung nur sehr schwer dosieren und muss den kleinen Finger immer wie Hochwohlgeboren abspreizen. Im Sitzen kann ich nicht bei unruhigem Untergrund fahren da rappelt der Finger zu stark und im Stehen muss ich den Lenker von oben fest fassen, dann kann ich aber kaum kuppeln. Manchmal bin ich nur Passagier und denke nur die Richtung vor. Unterwegs treffen wir einen Ungarn mit Frau oder Tochter auf einem Quad. Wir unterhalten uns in Englisch eine Zeit lang über dies und das und im Gespräch erfahren wir später, dass er durch einen Unfall beim Bergsteigen vor 20 Jahren querschnittsgelähmt ist. In Thethi treffen wir ihn nochmals bei einer Pause und als Stolle das Bergwasser als Getränk ablehnt, sagt er, das Wasser hier könne man bedenkenlos trinken, er hätte schon Wasser aus dem Niger, aus dem Kongo und Amazonas getrunken und das sei alles nicht schlimm!
Die Kids hier, zwischen ca. 8 und 14 Jahre alt, die die Touristen sofort in Empfang nehmen, Quartier und Getränke feilbieten sprechen fast perfekt englisch. Auf die Frage woher sie das so gut können, sagt einer von ihnen, dass sie seit 2 Jahren dort ein Englischlehrer haben und dies ganz groß im Lehrplan stehe. Sie beherrschen nicht nur Smalltalk und Gastronomie, sie können auch die Wege, deren Zustand und Schwierigkeiten beschreiben.
Entfernungstechnisch haben wir hier ungefähr Halbzeit was den Weg nach Shkoder angeht und so entscheiden wir uns dafür neues zu sehen und weiter nach Shkoder, nicht erst zurück nach Boge zu fahren. Bei einer wirklich kleinen Bachdurchfahrt verschlägt es Roger das Vorderrad und er kommt zu Sturz. Für Fußgänger ist an der Stelle eine 40 cm breite Betonbrücke, sie hält Rogers BMW davon ab mit dem Wasserfall darunter 30 Meter abzustürzen und Roger hält sich wiederum an der BMW fest um nicht abzustürzen. Ups! Die Fahrt ist rein subjektiv wieder viel härter als ich sie von vor 4 Jahren in Erinnerung habe. Wahrscheinlich wieder die Temperatur von ca. 40°C. Es geht ständig über Geröll auf und ab und Roger wird langsam müde. Da er keine Lust hatte die Koffer zu demontieren, bleibt er irgendwann dann auch damit an einem Fels hängen und stürzt über den Lenker. 200 Meter weiter ist ein Campingplatz (da hat tatsächlich jemand ein Schild an eine Wiese gestellt „Campingplatz“ verkauft dort kaltes Bier, alle anderen Getränke lagen ungekühlt neben der Kühltruhe, neben der 50 Meter weiter ein Stromaggregat läuft), zu dem wir dann noch fahren und eine Reparaturpause einlegen. Dort wird dann der kaputte Spiegel von links demontiert und der von links auf die rechte Seite geschraubt, der Handschutz wird gerichtet und der Koffer ausgebeult. Dies klappt sogar erstaunlich gut, der Koffer liegt wieder gut an und der Deckel passt fast spannungsfrei. Und mein Finger hat trotz dem Rumgezerre keinen weiteren Schaden genommen. Nachdem wir noch zusammen 1,5 Liter warme Cola getrunken haben fahren wir dann auch weiter. Die letzten Kilometer im fast flachen Gelände sind ganz frisch neu geteert (schon kalt) und man kann albanische Baukunst und dusseliges Anstellen der Bauarbeiter bestaunen.
Die Bauarbeiter wollen mit der Teermaschine und ihren Autos raus, haben sich aber selbst so zugeparkt, dass nichts mehr geht. Nach mehrmaligem Hupen meinerseits, entschließen sich dann die Bauarbeiter für uns eine Gasse zu bilden. Stolle und ich kommen relativ gut durch, Roger eckt zwischen Strassenrandmauer und Teermaschine mehrmals wie ein Flipperball mit den Koffern an, kommt aber letztendlich doch durch. In Shkoder angekommen gibt es reichlich Mecker von unseren Damen, weil sie nichts von uns gehört haben, die Handys ausgeschaltet sind und wir doch einige Stunden später zurück sind als gedacht.
--------------------
10.Tag - ~ 230 km
Heute fahren wir von Shkoder über eine 150 km lange schöne Landstrasse erst nach Kuckes, pausieren und setzen uns dort in ein großes, vermeintliches Restaurant. Leider gibt es dort aber nichts zu Essen, lediglich Getränke. Kurz darauf kommt der etwas englisch sprechende Chef, sagt dass in der Nähe ein Imbiss sei, fragt was wir möchten und schickt einen seiner Angestellten der uns die Salate und Sandwichs dann bringt. Wir wollen noch nach Peshkopi und da mal wieder alles viel anstrengender war (weiterhin um die 40°C) und länger gedauert hat als geplant, fragen wir nach der neuen asphaltierten Strasse von der ich beim ausklamüsern der Tour gelesen habe, statt die wie vorgesehene rund 80 km lange Offroadstrecke zu nehmen. Er erklärt uns den Weg und wir kommen auf eine neue Strasse mit abenteuerlichen Gefällen, Steigungen, ungesicherten Kuven – echtes Achterbahnfeeling. Roger der Alpenkenner sagt: „wenn die Strecke in den Dolomiten läge, wäre das garantiert die meistbefahrene Motorradstrasse in den Alpen“. In Peshkopi finden wir das Hotel Brooklin, aber es ist unbesetzt. Ein Wachmann davor zückt sein Handy, spricht etwas in albanisch rein und drückt Aische das Handy ins Ohr. Eine englisch sprechende Stimme sagt, es kommt gleich jemand vorbei und wir möchten doch warten. 5 Minuten später kommt jemand, schließt das Hotel auf und wir bekommen 3 Doppelzimmer mit Bad und Klimaanlage und einen Garagenhof für die Motorräder für insgesamt 30 Euro.
#####################
11.Tag - ~ 220 km
Von Peshkopi geht es anfangs direkt an der Grenze zu Skopie auf einer anstrengenden Schotterstrasse (ca.70 km) nach Librazhd und dann auf der Hauptstrasse über Elbansan und Lushnje nach Berat. Die vorgesehene Offradstrecke dazwischen fällt leider wieder den immer noch herrschenden ~ 40°C zum Opfer. In Berat übernachten wir im Hotel Palme. Wir müssen zuvor zwar noch etwas über den Preis verhandeln, was gut 20 Minuten dauert und erst der Chef über Telefon seine Zusage geben muss, aber wir werden uns einig - die Mädels verhandeln hart! Das Hotel hat eine nette Dachterrasse, von der man sowohl tagsüber als auch abends auf die dann schön beleuchtete Stadt schauen kann.
Abends auf der Brücke komme ich noch mit einem Albaner ins Gespräch. Er fragt, woher ich komme und wie mir Albanien gefällt. Ich sage, ein schönes Land, tolle Landschaften. Er sagt, ja ein schönes Land, aber nur äußerlich und schimpft dann über den Kaptitalismus. Früher waren alle zufrieden , sagt er. Es hätte kaum Verbrechen, keine Korruption und keine Prostitution gegeben. Eine albanische Redensart lautet: Mein Haus gehört Gott und meinen Freunden – heute sei das alles nichts mehr Wert. Die Korruption ist so groß, dass keiner mehr dem anderen traut. Er zeigt auf seinen Freund der neben ihm steht und sagt, er sei bis vor kurzen albanischer Meister im Gewichtheben gewesen, durch die Grenzöffnung ist er nun ein Niemand und müsse von 90 Dollar im Monat an „Stütze“ leben. Eine Arbeit ist so gut wie nicht zu bekommen, und wer einen bekommt müsse erst dafür mit Barem in Vorleistung gehen. Er fragt, warum die Griechen in der EU sein dürfen und Albanien nicht...... Er kommt mir eigentlich recht sympathisch rüber und ich komme später über seine Worte auch so ins Grübeln.
-----------------------
12.Tag - ~ 140 km
Beim Tanken vor der Weiterfahrt treffen wir auf einen Tankwart, der die Weisheit nicht unbedingt mit großen Löffeln gefressen hat. Wir tanken normalerweise immer alle zusammen aus einer Säule und bezahlen dies aus einer Gemeinschaftskasse. Nach dem 1.Motorrad hängt der Tankwart jedoch ein. Wir sagen ihm, dass die anderen auch tanken und wir alles zusammen bezahlen. Er betankt dann weiter und als Stolle dann noch mit einem Liter Öl kommt, welches er aus dem Regal genommen hat, ist er völlig überfordert. Die alte Zapfsäule zeigt noch in Euro an, er muss nun 2 Tanksummen addieren, umrechnen und dann noch das Öl hinzufügen – das ist zu viel. Er muss erst noch mal einen Albaner mit seinem Auto zwischendurch abfertigen, um sich einen Plan zurecht zu legen, wie er denn nun mit uns verfährt! Aber irgendwann regelt sich auch das.
Ca. 11 km nach dem wir Berat auf der Schotterstrasse nach Kelcyre verlassen haben fehlen Aische und Stolle. Dann geht das Handy, Aische ist ziemlich aufgeregt – Stolle hat wieder einen Nagel gefunden und der ist diesmal durch – Hinterradplatten. Roger und ich fahren zurück. Diesmal klappt das Schlauchwechseln deutlich besser, aber das Ventil im neuen Schlauch hält die Luft nicht. Bis wir den Fehler finden haben wir bereits 1 mal mit Druckpatrone und 2 mal mit der ultrakleinen Handpumpe aufgepumpt. Nachdem wir den Fehler gefunden haben kommt der Retter in der Not – ein einheimischer Mofafahrer mit einer Fußpumpe am Gepäckträger fährt vorbei. Wir winken und 5 Sekunden nach dem er steht wickelt er schon den Spanngummi von der Pumpe. Ich bedanke mich nach dem wir fertig sind mündlich bei ihm, aber das Geld was ich ihm zustecken möchte will er nicht. Als ich es ihm ein 2. mal hinhalte, droht er an es wegzuwerfen.
Wir halten nach ca. 30 km erneut zu einer Pause und Stolle geht es gar nicht gut, er hat eine Art Sonnenstich. Die Bastelei in der direkten Sonne und das bei 40°C im Schatten, den wir wieder nicht hatten, ist ihm nicht bekommen. Aber von hier geht es nur über die anstrengende Offroadpiste weiter. Kurz vor Kelcyre, nach weiteren 30 Offroadkilometern hört die Piste auf, wir machen noch eine Pause und fahren nur noch die 50 km bis Girokaster über die Hauptsrasse. Stolle friert bei annähernd 40°C.
###########################################################
13.Tag - ~ 90 km
Nane und ich fahren am frühen Morgen, vor dem allgemeinen Aufbruch, noch einmal durch die Altstadt Girokasters und da alle etwas fertig sind entscheiden wir uns dann dafür an den Strand zu fahren dort etwas zu verweilen und Ruhe zu tanken. So geht es heute über Sarande nach Borsh. Unterwegs beim Tanken treffen wir wieder ein paar Tschechen, diesmal aber welche die eine Albanienfahrradtour machen. In Borsh angekommen müssen wir länger suchen um eine Unterkunft zu finden. Als ich 2009 schon mal hier war gab es dort am Strand nur eine Unterkunft und außer mir und meinem Mitfahrer keine Gäste. Liegen und Sonnenschirme haben wir nicht einen einzigen gesehen. Ich traue meinen Augen kaum, als ich an den Strand komme. Liegen, Schirme und Touristen dicht an dicht. Später finde ich die alte Unterkunft ganz am Ende des Strandes wieder. Wir bekommen dort Zimmer und ich hadere mit mir und dem Vorschlag die Gruppe dort (nicht diese Unterkunft, sondern den Trubel an sich) hingeführt zu haben. Aber es entwickelt sich alles gut und später sind nicht nur die anderen auch ich zufrieden und freuen uns über die getroffene Wahl.
######################################################
14.Tag - ~ 120 km
Statt Ruhe zu tanken und an unserer Unterkunft zu frühstücken beschließen Nane, Roger und ich die Kühle des Morgens zu nutzen und fahren auf der Strasse zum ca. 50 km entfernten Llagora Pass bei Dhermi von dem man von ca.1000 m auf das Mittelmeer schauen kann. Vor der Strasse zum Strand setzt Nane sich ab, sie fährt die letzten km allein zurück und Roger und ich gehen noch ein wenig die Gegend erkunden. Ansonsten ist heute abhängen und planschen angesagt.
###########################################
15.Tag - ~ 155 km
Heute drehen wir eine Runde über Sarande nach Butrint, anschließend machen Stolle und ich noch eine Scoutingtour für die Weiterfahrt morgen. Laut Karte und beim gestrigen Erkunden habe ich von weitem eine Parallelstrasse durch die Berge gesehen, die uns später wieder auf die ursprüngliche vorgesehene Route führt. Wir suchen erst den Einstieg, finden ihn später irgendwie nach dem wir durch einen Bach und ein Kieswerk fahren und kommen auf eine sehr staubige, sandige Piste. Hier verschlägt es Stolle kurz den locker gehaltenen Lenker und beim Nachfassen zum Lenker bekommt er einen schmerzhaften Schlag ins Handgelenk vom Lenkerkickback der ihm die nächsten Tage (auch nach dem Urlaub) noch zu schaffen macht. Die kurze und anstrengende Fahrt auf dem sandigen Boden endet aber abrupt, denn Bauarbeiter sind gerade dabei diesen Weg für eine Teerunng vorzubereiten. Also drehen und zurück, ein Bier trinken, kurz im Meer Baden und anschließend weiter kulinarisch den Urlaub genießen.
